Die jahrhundertealte Sage der Nibelungen, als das deutsche Kriegs- und Nationalepos entdeckt und ideologisch vereinnahmt, wird immer wieder neu erfunden. Der zum beinahe unverwundbaren Helden stilisierte Siegfried, die sprichwörtliche Nibelungentreue des Hagen von Tronje sowie die rächende Kriemhild, sie alle sind Teil dieser Geschichte von Liebe und Verrat, von bedingungsloser Treue und blutiger Rache, an deren Ende der Tod stehtund der Schatz der Nibelungen unwiederbringlich versunken bleibt. Unzählige Versionen kursieren in unseren Archiven, ein erster Autor ist unbekannt, das verschollene Original tausendfach überschrieben. Die permanent variierte Erzählung wird sozu unserem Erinnerungsschatz, der in seiner Nicht-Festgeschriebenheit Konzepte von Originalität, Autorschaft und Bedeutung zur ständigen Disposition stellt. Mit Strategien des Erinnerns und Vergessens, des Wieder- und Neuerzählens beteiligen sich sechs Archivare an der Gedächtnisproduktion und erfinden ihreVersion der Nibelungen. Stecken alle Geschichten schon in uns, weshalb wir sie konservieren und sie im Wiederholen fort-führen müssen? Können wir nur im Rückgriff auf eine Vergangenheit handeln, oder kann es uns nicht doch gelingen, neu Geschichtsschreibung überlagern sich mit der Geschichte der Nibelungen: Weiler die Regeln des Systems Worms, dasihn aufgenommen hat, nicht befolgt, wird Siegfried von demselben ausgelöscht. Der entscheidende Moment in Kriemhilds Biographie jedoch, der, an dem sie gemerkt hat, dass dies der wirkliche Anfang ihrer eigenen Geschichte ist, den erlebte sie mit Siegfried. Für ihn gibt es aber keine offiziellen Kranzniederlegungen, er soll vergessen werden, da es gilt, eine andere Ge -schichte fortzuschreiben als die eines einzelnen Helden. Warum aber nicht den ganzen Ballast namens Tradition und Vergangenheit vernichten? Beide Konzepte, festschreibendes Bewahren und die Her-beiführung des Nullpunkts, können in ihrem Starrsinn und ihrem absoluten Anspruch nur scheitern, so wie die bedingungslose Treue des Hagen von Tronje und die rücksichtslose Rache der Kriemhild im blutigen Untergang enden. Wiederholung funktioniert genauso wenig wie Amnesie. Am Ende lebt das, was damit nichts zu tun hat und was uns als Bild nicht greifbar ist,weil wir es ständig neu erfinden: die Fremde und der Held. Der Mythos schreibt sich fort, wobei Wiederholung niemals möglich ist, sondern nur das Insistieren, Neuverhandeln und Erfinden: Remake! (Text: Nadine Vollmer)
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Termine: 15. / 21. November 2008, 06. / 13. Dezember 2008
Archivar 1 / König Gunther: WILHELM EILERS
Archivar 2 / Hagen von Tronje: ALJOSCHA STADELMANN
Archivar 3 / Giselher: NICHOLAS REINKE
Archivar 4 / Siegfried / König Etzel: SEBASTIAN SCHINDEGGER
Archivar 5 / Kriemhild: ANNE MÜLLER
Archivar 6 / Brunhild: JULIA PENNER
Regie: Robert Lehniger; Grundraum: Maria-Alice Bahra, Jan Alexander Schroeder;
Ausstattung: Irene Ip; Video: Bert Zander; Dramaturgie: Nadine Vollmer,
Maike Gunsilius