Gedanken zur Schmidtstrasse von Wilhelm Roth

14-05-2009 GEPOSTET VON bob

Lieber Florian Fiedler, lieber Robert Lehniger,

hier ein paar Gedanken zur Schmidtstraße, nicht direkt Antworten auf Ihre Fragen. Ich komme mir manchmal recht exotisch in der Schmidtstraße vor, ich bin sicher einer der ältesten Stammbesucher, geboren 1937. Aber ich gehe nicht nur aus Pflichtgefühl hin, als Journalist, sondern mit Freude und Überzeugung. Groß geworden bin ich nach dem Stadttheater in Regensburg dann mit Fritz Kortner, mit anderen zurückgekehrten Emigranten wie Karl Paryla und Curt Bois, mit Inszenierungen, die noch von Brecht selbst stammten am BE, mit der Schaubühne der 70er Jahre (Stein und vor allem Grüber, das war der größte, unvergessliche Bilder), mit Marthaler und Schleef. Heute gucke ich auf das Theater aus einer neugierig-amüsierten Distanz.

Aber es ist gerade die Schmidtstraße, die immer wieder die Distanz aufhebt. Ich finde es toll, dass es keine Barriere mehr gibt: da vorne auf der Bühne die Künstler, hier im Zuschauerraum: wir. Es entsteht Nähe, eine Intimität, Unmittelbarkeit. Man lernt die Schauspieler viel besser kennen als etwa im Großen Haus. Stefko Hanushefsky, Sebastian Schindegger, Anne Müller, Nadja Dankers, Ruth Marie Kröger, Aljoscha Stadelmann, Özgür Karadeniz, Bert Tischendorf (dessen Desdemona mir aber auch in Erinnerung bleiben wird), Sascha Icks und ein paar andere: sie machen mir den Abschied vom bisherigen Ensemble sehr schwer (soviel zum Stichwort „Liebe“).

Diese Nähe gilt aber nicht nur für die Schauspieler, sondern überhaupt für den Raum, besonders stark beim „Schloss“. Wie da am Anfang nur einige helle Flecken sind, wie die Stimmen von überall her durch das Zwielicht schweben, wie da ein Labyrinth entsteht, in das man selber eingeschlossen ist: ein magischer Moment, den nicht mehr vergisst (soviel zum Stichwort „schönster Anfang“).

Klingt alles ein bisschen pathetisch, aber beim Abschied darf man auch etwas sentimental sein.

Herzliche Grüße

Wilhelm Roth

Drehtag #9

13-05-2009 GEPOSTET VON vivi

Drehtag#9

Welche war Ihre Lieblingstheaterfigur in der Schmidtstrasse12?

13-05-2009 GEPOSTET VON hannah

„Anne Müller grünlich am Keybord. Totgelacht. Alle sechs mal“
(Dagmara Lutoslawska)

„Mein Lehrer Valentin/ der ein oder andere Regisseur, der die Generalprobe verschlief“
(Oliver Kraushaar)

„Die Laura in Glasmenagerie in der s12-Petras/Altefrohne-Version – verquer, skurril, herzzerreißend“
(Sibylle Baschung)

„Andreas Leupold als Henri Boulanger in Aki Kaurismäkis I hired a Contract Killer oder Wie feuere ich meinen Mörder und Ajax in Ajax
(Esther Boldt)

„Liebling: wie gesagt – der wüst wütende Milan Peschel als Ich-weiß-es-gar-nicht-mehr. Und Hilke Altefrohne als Käthchen von Heilbronn. Hassfigur? Ein gähnend langweiliger Urfaust“
(Alexander Jürgs)

„Hilkes in Glasmenagerie
(Annette Riedel)

„Ajax“
(Julia Plickat)

„Eine ist dieser Archivar mit der Brille und der Augenklappe, zwei Raben neben sich, der versucht sich an die Entstehung der Welt zu erinnern. Die Raben helfen ihm nicht, dafür die Augenklappe. Eine andere hatte eine dicke Brille auf und X-Beine und hieß Laura“
(Nadine Vollmer)

„Dorothee Hartinger in Glasmenagerie und Stefko Hanushevsky in so gut wie Allem“
(Ruth Fühner)

„Werther“
(Nico Reinke)

„Gudrun Elisabeth. Und: Werther, Lotte und Albert.(Alle Lieblings)“
(Maike Gunsilius)

„Werther“
(Norma Schneider)

„Lieblingsfigur: Mathias Max Hermann als Vertreter der Gerd Schneider Gesellschaft
Lieblingshassfigur: Gute Frage, alle lispelnden neurotischen Mädchenfiguren in kurzen Röcken – kam zum Glück nicht so oft vor wie andernorts“
(Florian Fiedler)

Filmwohnung / Skizze #7

13-05-2009 GEPOSTET VON bob

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alain rappaport / istanbul

Haben Sie die Schmidtstrasse12 schon mal gehasst?

12-05-2009 GEPOSTET VON hannah

„Nein“
(Oliver Kraushaar)

„Gelegentlich, aber das bleibt unter uns“
(Alexander Jürgs)

„Das Hassen bleibt, genauso wie das Lieben, dem Mensch vorbehalten“
(Nico Reinke)

„Nö“
(Julia Plickat)

„Ja. Spiralblöcke, lange Abende, vorgebliche Experimente, fahrlässiger Umgang mit Schauspielern in offensichtlich zu kurzen Probenzeiten: Die Nachtschatten dieser Außenspielstätte. Wie Heiner Goebbels immer sagt, ist es ja Unfug, in kurzer Zeit ein Experiment wagen zu wollen: Zum Verlassen des sicheren Bodens braucht es ja vielmehr Zeit, Freiräume und andere vertrauensbildende Maßnahmen“
(Esther Boldt)

„Nein“
(Nadine Vollmer)

„Ja, wegen des Bohais um die blöde Spiralblockaffäre“
(Ruth Fühner)

„Ja, am 16. Juni 2007″
(Maike Gunsilius)

„Nein. Maximal die Straßenbahn, die mir in nieseligen Novembernächten nach dem Abenddienst vor der Nase weggefahren ist“
(Sibylle Baschung)

„Nur Vorgänge der Schmidtstrasse“
(Max Landgrebe)

„Ja, öfters mal für ihre Lage, aber das ist eigentlich eine ungerechte Projektion eines Gefühls, das viel eher auf die Bahnverbindung gerichtet sein sollte…“
(Norma Schneider)

„1000mal abends nach der Probe, wenn man sich nicht noch schnell in der Kantine treffen kann, sondern alle schnell nach Hause fahren, weil „es noch so weit in die Stadt“ ist“
(Sophie Achinger)

Danke Marcel!

12-05-2009 GEPOSTET VON florian

img_08782Privat ist Marcel Heyde nie ins Theater gegangen, das hat erst angefangen, als er dafür bezahlt wurde. Seine erste Produktion als Veranstaltungstechniker musste er am TAT bewältigen. Es war die Möwe und er erinnert sich auch nur noch, dass der Regisseur immer schwitzend mit einem Handtuch durch die Gegend lief. Als ich Marcel 2003 bei den Proben zu „Lolita“ kennen lernte, hat mich seine manchmal etwas mürrische Art zunächst etwas abgeschreckt und verunsichert. Aber ich habe schnell erfreut festgestellt, dass er sehr zuverlässig und bei der Sache ist. Umgekehrt sagte er mir später bei den Proben zu „Werther“, dass er froh wäre, dass ich jetzt nicht mehr so hektisch wäre wie damals bei „Lolita“. – Das Theater hat er dann nach und nach lieben gelernt, sagt er heute. „Weil man Emotionen rüberbringen kann, wie das so im Kino oder im Fernsehen nicht möglich ist.“

Die schmidtstrasse12 verlässt er mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Warum? „Weils schön war.“ Marcels antworten sind kurz und knapp. Nach kurzem Schweigen fügt er hinzu, dass er das Team vermissen wird. Auf die Frage, welchen Menschen er vor allem mit der schmidtstrasse12 verbindet, antwortet er schnell: „Mathias“. Zu zweit machen sie seit sechs Jahren Licht und Ton, manchmal Video und sind auch noch für den Auf- und Abbau zuständig. Es ist ein bisschen so, als würde ihnen die schmidtstrasse12 gehören, nicht zu letzt auch weil sie es waren, die einen bei Partys irgendwann rauswerfen mussten um den Laden dicht zu machen. Erstaunlich ist, wie viel sie in der schmidtstrasse12 möglich gemacht haben. Oft war das viel mehr, als auf manchen Bühnen mit wesentlich größeren Technikerteams. Da wird dann halt gebastelt und improvisiert – und manchmal auch geschimpft. Zum Beispiel anfangs, als die Inszenierungen in ihrer Länge das eigentliche Limit von 90min immer öfter überschritten – doch inzwischen sind sogar die Partys länger geworden…

Ja, Marcel ist über die Jahre entspannter geworden. Er hat wieder angefangen Gitarre zu spielen. Indie und Rock. Um die Mädchen zu beeindrucken, wie Özgür? „Nein, ich habe mit sechs Jahren angefangen, da war das noch nicht so mein Thema.“ Und jetzt hat er seit zweieinhalb Jahren eine Freundin, mit der er seit drei Jahren zusammenlebt. In einer WG.
Seine Lieblingsfarbe? Rot. Lieblingsblume: Sonnenblume. Lieblingsfilm? Charly und die Schokoladenfabrik. Lieblingsessen? „Indisch. Persisch. Aber wie das Essen dann heißt, das vergesse ich immer wieder.“

Das schmidtstrassenpublikum wird er vermissen, weil es so unterschiedlich ist. Doch freut sich Marcel, bei aller schmidtstrassenabschiedswehmut, auch auf den Neuanfang im Depot: Dort hatte für ihn das ganze Theater begonnen.

Ob er noch eine Frage beantworten will? „Ja ich dachte eigentlich, dass ich gefragt werde, was meine Lieblingsinszenierung hier war und hab mich auch darauf vorbereitet.“ „Na dann mal los.“ „Als Gesamtinszenierung: `Lolita´; für den Ton, die Einspielungen `Perdita Durango´ und fürs Licht: `Rausch´.

Filmwohnung / Skizze #6

12-05-2009 GEPOSTET VON bob

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alain rappaport / zürich

metaphysik und andere idioten. jetzt geht wieder alles von vorne los.

12-05-2009 GEPOSTET VON nadine

Ich glaub, ich war da. Aber ich bin mir nicht sicher. Ich hatte diese Maklerin kennengelernt, die mir von diesem Apartment erzählte. Loftcharme in aufstrebendem, multikulturellen Trendviertel, umgeben von jungen Musikern, Filmemachern, Theaterleuten, mit Blick auf die umwerfende Skyline der glitzernden Finanzwelt, aber weit genug entfernt von ihr. Ich will eigentlich gar nicht umziehen, ich mag meine Wohnung. Aber irgendwas reizte mich. Also bin ich hin. Penny, Trinkbuden, zwei nebeneinander, Thai Express, Ordnungsamt, Video Buster, Lidl, Autohaus, KiK, Penny, Burger King, Tankstelle, Autohaus, Autohaus, Gaddezwersch, Aldi, Autovermietung, Odenwald, Island, Worms, Drachenhöhle, alles da, hier muss es sein. Vor dem Eingang ein Grill und ganz nett aussehende Menschen. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor. Einer fragte direkt, ob ich was trinken wolle, Weißwein, Rotwein, Rosé, alles da. Ein anderer drückte mir eine Grillwurst in die Hand, eine umarmte mich. Einem musste ich immer auf die Füße starren und der neben mir sagte: Diese Kamelfüße machen mich wahnsinnig. Eine andere, jung mit Brille, strahlte mich an und sagte: Endlich bist du da. Woher kennt sie mich? Der mit den Kamelfüßen wurde irgendwann nervös und sagte immer, er wolle jetzt anfangen zu drehen. Filmleute also, die Maklerin hatte nicht gelogen. Zuhause erst gemerkt, ich war gar nicht drin in diesem Apartment. Diese Grillparty hat einfach den Eingang versperrt und ich habe es noch nicht einmal gemerkt.

Ein paar Tage später war ich auf eine Party eingeladen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich hingekommen bin, ich hätte auf den Weg achten sollen. Ein Apartment mit weißen Wänden, weißem Boden, sah aus, als wäre grad jemand ausgezogen. Auf der Party lauter schwarz gekleidete Menschen. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor. Wenn ich mich doch nur erinnern könnte. Eine Frau mit einer Archivarsbrille, Käthchen, bestimmt eine Dramaturgin, verwickelte mich sofort in ein Gespräch und war ziemlich angefixt von der Idee, jetzt bald etwas ganz Großes zu starten. Sie redete von Feuerperformances und fragte, ob Nietzsche wohl recht gehabt hätte, als er sagte, dass alles ein ewiger Anfang sei. Ich entgegnete ihr, man könne auch sagen, es wäre die Wiederkehr des Neuen, irgendwie hörte sich das plausibler an, Ewigkeit könne ich mir gar nicht vorstellen. Eher immer wieder eine neu beginnende Zeit. Auf Zeit sozusagen. Bis man wieder vergisst. So müsse man auch Gemeinschaften denken, schoss es mir durch den Kopf, diese Bündnisse auf Lebenszeit, das ginge doch nicht, das ließe einen gleich an Adenauer denken. Lieber komplizitär auf Zeit miteinander gemeinsame Sache machen. Dann funktioniere das auch mit dem Neuen und den Anfängen. Sagte ich und wollte weiter und ich begann zu ahnen, warum bisher so vieles schief gelaufen war. Ich war gerade mal im Flur und die Wohnung schien groß zu sein, sich immer weiter zu verzweigen. Doch meine neue Freundin Käthe ließ nicht locker und mich nicht weiter. Sie meinte, ich hätte doch auch schon Erfahrung mit Feuerperformances wegen dieser Kaufhausgeschichte. Was? Wie kommt sie darauf? Uns gegenüber stand so ein Typ im Ledermantel, den sie zwischendurch immer wieder fragte, ob er was mit Pferden zu tun habe, schließlich hieße er Hippolytos und dass wir bestimmt ein Pferd gebrauchen könnten bei unserer Performance. Pferde seien immer gut, mit denen könne man sich auch hinter Mauern schmuggeln und Häuser besetzen. Definitiv Dramaturgin. Der Typ jedenfalls schien wenig begeistert und ich wurde langsam ungeduldig. Feuerperformances schön und gut, Pferde auch, aber was sind das für Leute hier? Ihre Namen passten überhaupt nicht zu ihren Gesichtern, doch irgendwo musste es einen Zusammenhang geben. Freitag. Hatte ich den schon mal irgendwo gesehen? Du bist mein Feind, ich kam sah und nannte dich Freitag. Irgendwo dämmerte es, doch ich war mir ziemlich sicher, dass der Typ, der dort stand, nicht Freitag hieß. Montag vielleicht. Vielleicht aber auch ganz anders. Käthchen schien sich an all dem überhaupt nicht zu stören, sie entwarf fröhlich weiter Feuerperformanceideen. Keine Angst. Ein anderer Typ, der aussah wie ein Filmregisseur und Werther hieß, streckte mir irgendwann seine geballte Faust entgegen, zwinkerte mir aufmunternd zu und raunte: Ulrike, denk immer dran – lieber wütend als traurig! Dann war er in der Menge verschwunden. Ulrike?

Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Ob es das Apartment war, das ich suche, weiß ich auch nicht. Ich glaub, ich muss da noch mal hin.

Drehtag #8

11-05-2009 GEPOSTET VON vivi

Drehtag#8

Gibt es einen Geruch oder eine Farbe, den oder die Sie v.a. mit der Schmidtstrasse12 verbinden?

11-05-2009 GEPOSTET VON hannah

„Mintgrün“
(Nadine Vollmer)

„Den Geruch nach Kantine, der in Wirklichkeit der nach Paella vom
Chefkoch war (nach Grimm Code)“
(Ruth Fühner)

„Das Grün im Flur“
(Alexander Jürgs)

„Das seltsame Mintblaugrün und Silber von Micha Graessner“
(Julia Plickat)

„Grün wie die Hoffnung und das Zeug am Ende der Welt“
(Esther Boldt)

„Nebel. Den Duft von Winnies Brezeln“
(Maike Gunsilius)

„Der Geruch nach ranziger Buttermilch vom raffinierten Farbanstrich des Kassenhäuschens durch Michael Graessner. Die Farbe Orange aus der ersten Spielzeit – und gleich so viel davon!“
(Maja Thiesen)

„Die überheizte Eingangshalle in der der Geruch der frischen Farbe nicht entweichen konnte“
(Max Landgrebe)

„Gegrilltes Fleisch, gegrillte Scampis und grün“
(Sibylle Baschung)

„Der Ravioli-Geruch bei Werther – und bei Friday roch das Essen so gut, dass ich immer ganz hungrig und neidisch wurde!“
(Norma Schneider)

„Diese eine schwitzige Stelle auf den Treppen zur Garderobe“
(Sophie Achinger)

„Oje, ja diesen komischen Sommer-Hitzegeruch und die Trendfarben- und Muster der stylischen Künstlerwohnungen, die alle wie WG-Zimmer in „Verbotene Liebe“ oder in der Germanys Next Topmodel-Villa aussehen“
(Florian Fiedler)